Wahrscheinlich haben Rinder jede Menge Humor. Oder zumindest den Schalk im Nacken. Oder spielen einfach ganz gerne mal einen kleinen Streich. Vor allem uns Fleischliebhabern. Anders ist es ja wohl kaum zu erklären, dass es drei vollkommen verschiedene Cuts aus den unterschiedlichsten Körperregionen gibt, die nahezu identisch aussehen, wenn man nicht genau hinschaut, und so gut wie nichts miteinander zu tun haben. Die Rede ist vom Filet (Lende), vom ‚falschen Filet‘ (Buglende, also Schulter) und drittens von der Semerrolle (Schwanzstück).
Hart arbeiten, gut schmecken
Die Stücke sind deshalb so leicht zu verwechseln, weil das Fleisch mager und ohne große Marmorierung daher kommt und mehr oder weniger gleichförmig rund ist. Da die Muskeln in der Schulter und am Rinderpo aber zeitlebens hart arbeiten müssen (im Gegensatz zur Lende), sind ihre Fasern sehr kräftig und mit einer ausgeprägten Textur versehen. Mit anderen Worten bringen sie einen hervorragenden Geschmack mit, haben aber gleichzeitig das Zeug zur Schuhsohle, wenn man an Kurzgebratenes aus Grill oder Pfanne denkt. Aber dazu später mehr. Auf jeden Fall ist eine Semerrolle alles andere als ein Filet. Und offenbar finden Rinder das komisch.
Runder Mocken? Echt jetzt?
Die Semerrolle ist Teil des so genannten Schwanzstücks (Unterschale, die auch mit dem bezaubernden Namen ‚Gänschen‘ belegt ist) und liegt am hinteren Bereich der Keule, also sozusagen noch hinter Ober- und Unterschale. Eigentlich müsste das Stück ‚Heckrolle‘ heißen, denn noch weiter achtern kommt nichts mehr – das Rind ist mit der Semerrolle (‚Schwanzrolle‘, ‚Fricandeau‘ ‚Rolle‘, ‚Weißes Scherzel‘, ‚Eye of Round‘, ‚Runder Mocken‘) zuende.
Der Muskel ist sehr gleichmäßig rund bis leicht oval, was natürlich wesentlich zu seiner Namensgebung beigetragen hat. Seine stark ausgeprägten Fasern schmecken sehr schön rindfleischig, was förmlich danach schreit, das Fleisch zum Schmor- oder zum Sauerbraten weiter zu veredeln. Wenn man ihm nämlich ausreichend Zeit gibt (schön lange in saurer Marinade belassen oder länger bei geringeren Temperaturen schmoren), ist es plötzlich sehr zart, mager und schmackhaft. Vor allem, wenn man es vorher noch gespickt oder gefüllt hat.